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Die Niederlande
Niederländisch-Deutsche Grenze (siehe auch Teil 2, Niederländisch-Belgische Grenze)

Radfahren entlang der niederländischen-deutschen Grenze (1): von Delfzijl nach Vaals

Einfach nur bis zum Horizont zu radeln macht Spaß, aber ein Thema kann einer Radtour ein bisschen mehr Pfiff verleihen. Mann kan zum Beispiel eine Fahrt entlang der niederländischen Grenze zu Deutschland und Belgien machen. Ein Studium einer detaillierten Karte der Niederlande zeigt, dass man auf kleinen Straßen und Wegen, meist direkt an der Grenze, radeln kann und dass es auch viel Kultur und Natur zu genießen gibt. Und so machten wir eine Route entlang nummerierter Fahrradknotenpunkte ("knooppunten") und passten sie hier und da an, um nicht zu weit von der Landesgrenze abzuweichen oder um ein interessantes Naturschutzgebiet oder eine Attraktion zu besuchen. Sobald wir auf unseren Rädern saßen, entdeckten wir, dass die meisten Straßen entlang der niederländischen-deutschen Grenze überraschend ruhig sind, da sie in dünn besiedelten Gebieten oft ins Nirgendwo führen. Das macht diese Route ziemlich einzigartig in den bevölkerungsreichen Niederlanden.

Von Delfzijl nach Bourtange

An einem schönen Junimorgen fahren wir mit dem Zug nach Delfzijl, das uns angesichts des zu erwartenden Nordwestwindes in den kommenden Tagen ein guter Ausgangspunkt zu sein scheint. Vom Bahnhof Delfzijl radelt man auch bei schönem Wetter am besten mit geschlossenen Augen in Richtung Dollarddijk, denn der kahle, gekachelte Platz vor dem Supermarkt und die tristen Einkaufsstraßen im Zentrum strahlen eine traurige Atmosphäre aus. Wir fahren zügig in Richtung Osten, passieren einige Fabrikgelände und sehen dann eine Gruppe bemerkenswerter Grabsteine am Dollarddeich. Sie stammen aus dem Friedhof von Oterdum und wurden auf dem Deich wieder aufgestellt, nachdem das Dorf der Industrie und der Deicherhöhung weichen musste. Oben auf dem Deich haben wir einen Panoramablick über den Eemshaven und den Dollard mit seinen Windmühlen, den ersten von vielen, denen wir auf dieser Route begegnen werden. Direkt an der Grenze, auf der deutschen Seite, sind so viele dicht an dicht aufgereiht, dass sie als riesige Grenzanzeiger auf unserer linken Seite dienen.

dollard

Im Weiler Fiemel, in der Nähe einer Dollard-Landzunge in der nordöstlichen Ecke von Groningen, passieren wir ein paar deutsche Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg und wir radeln wieder den Deich hinauf. Über das Watt schauend sehen wir die deutsche Stadt Emden in der Ferne. Auch an den Schleusen in der Westerwoldse Aa sind die Panoramablicke in dieser flachen, wasserreichen Landschaft etwas ganz Besonderes. Brillant, wenn die Sonne scheint, wie bei unserem Besuch, aber zweifellos ziemlich unangenehm, wenn es windig ist und regnet. Wir passieren den unattraktiven Grenz- und Kurort Bad Nieuweschans, wo fast der halbe Supermarkt für billigen Bohnenkaffee (in Deutschland gibt es eine Kaffeesteuer von über 2 Euro pro Kilo) eingerichtet ist.

Interessanter ist die malerische alte Festung Oudeschans etwas weiter, wo die Gegend plötzlich viel bewaldeter ist, genau wie im einst reichen Bellingwolde mit seinen grünen Landstraßen und beeindruckenden Bauernhöfen und Herrenhäusern. Bellingwolde liegt nicht sehr nahe an der Grenze, aber wie gesagt, unsere Routenregeln sind flexibel: Radfahrvergnügen geht vor Prinzipien. Außerhalb des Dorfes kommen wir an weiteren großen Bauernhäusern vorbei, von denen jedoch einige verfallen und von Unkraut überwuchert sind -- ein eher ungewöhnlicher Anblick in der ordentlichen Provinz Groningen.

In der Festung Bourtange, die komplett von einem Wassergraben und einem Erdwall umgeben ist, ist alles so perfekt restauriert, dass man den Eindruck hat, in einem Freilichtmuseum herumzulaufen - was es zum größten Teil auch ist, denn für die historischen Häuser wird Eintritt verlangt. In jedem Fall sind die Kopfsteinpflasterstraßen ideal, um die Reifen und die Federung Ihres Fahrrads zu testen.

Von Bourtange nach Gramsbergen

Nach Bourtange haben wir die Wahl, viele Kilometer entlang der Grenze neben einem geraden Kanal zu radeln oder einer etwas weiter westlich gelegenen Route durch das Waldgebiet des touristischen Ortes Sellingen nach Ter Apel zu folgen. Die Wahl fällt nicht schwer, zumal die Straße entlang des Kanals von endlosen Reihen von Eichen gesäumt ist, die voller Prozessionsraupen sind, wie die roten und weißen Bänder um die Baumstämme zeigen. Das Hotel Boschhuis gegenüber dem monumentalen Kloster (jetzt Museum) in Ter Apel ist eine gute Adresse für eine Kaffeepause.

Von Ter Apel aus radeln wir entlang eines endlos langen, geraden Kanals in entwässerten Mooren, vorbei an ehemaligen Torfsiedlungsdörfern wie Emmer-Compascuüm und Barger-Compascuüm, eher triste Orte voller beengter Reihenhäuser und Arbeiterkaten - ein charakteristischer Unterschied zum nahen Deutschland, wo wir immer wieder feststellen, dass die Häuser dort viel größer und solider gebaut sind. Zum Glück hat der Supermarkt in Berger-Compascuüm auch sonntags geöffnet, und die Kassiererin hier in Drenthe hat einen ganz anderen Akzent als ihre Kollegin in Groningen, nur wenige kilometer nördlicher. Es ist immer wieder erstaunlich, wie groß die regionalen Unterschiede in einem kleinen Land wie den Niederlanden sind.

Das Zwartemeer ist das Tor zum Bargerveen, dem einzigen Überbleibsel des einst riesigen Bourtanger Sumpfes, einem fast vollständig ausgehobenen Moorgebiet. Der Radweg verläuft genau entlang der geraden Grenze zwischen den Niederlanden und Deutschland und es ist auffällig, dass die deutsche Seite, wo der Torf abgebaut wurde, einige Meter tiefer liegt als das Moor auf der niederländischen Seite. Die staaliche Forstverwaltung setzt hier alles daran, das Moor wiederherzustellen, lesen wir auf den Informationstafeln. Das hat zur Folge, dass das Naturschutzgebiet hier und da eher wie eine umgepflügte Baustelle aussieht. Ein Stück weiter passieren wir die sich langsam bewegenden Erdölpumpen (Wackelesel) bei Schoonebeek, die auf deutscher Seite noch immer Öl aus 800 Metern Tiefe pumpen. Auf niederländischer Seite wird jetzt eine andere Methode zur Ölförderung eingesetzt, und zwar mit riesigen Dampfinjektionsanlagen. Ein Schild warnt vor einem "angreifenden Bussard", der zum Glück einen freien Tag hat.

Wir verpassen irrtümlich das Schloss und das historische Zentrum der alten Festung Coevorden und passieren ein chaotisches Einkaufsgebiet mit einem Jumbo, Lidl und Aldi direkt nebeneinander (die Qual der Wahl!), aber etwas weiter südlich können wir eine schöne Heckenlandschaft mit monumentalen Bäumen im Becken der Overijsselse Vecht genießen. Es scheint zwar reizvoll, dem Vechtdal flussaufwärts über die deutsche Grenze in Richtung Nordhorn zu folgen, und laut dem freundlichen Besitzer des Campingplatzes De Vechtkamp bei Gramsbergen ist dies eine empfehlenswerte Radtour, aber sie würde uns zu weit von der Grenze wegführen. Noch ein Tipp: Nach Gramsbergen kamen wir auch an den renovierten Teichgärten von Ada Hofman vorbei, die für Garten- und Pflanzenliebhaber unbedingt einen Besuch wert sind.

Von Gramsbergen nach Overdinkel

Twente ist für uns die bisherige Überraschung dieser Radtour: eine hügelige, eher kleinräumige Landschaft mit Bauernhöfen, Ackerland mit monumentalen Eschen und Eichen. Wunderschön hier zu radeln, mit gelegentlichen schönen Dörfern, wie Ootmarsum, das wir nach einer Abfahrt von über 40 Metern erreichen - eine beachtliche Steigung in einem flachen Land wie den Niederlanden. Im historischen Zentrum wimmelt es von älteren deutschen und niederländischen Touristen, fast alle mit E-Bikes.Da wir uns bei Ootmarsum ein paar Kilometer von der Grenze entfernt haben, folgen wir zum Ausgleich eine Weile möglichst genau dem Grenzverlauf und radeln auf sandigen, unbefestigten Wegen nach Nordosten in das Gebiet der Hasenzate Breckelenkamp, wo wir auf drei Seiten von der deutschen Grenze umgeben sind. Laut einer Informationstafel bekommt der Besucher den Eindruck, hier am Ende der Welt zu sein, und das können wir bestätigen.

Zurück in südlicher Richtung führt der Weg eine Weile durch einen kilometerlangen bewaldeten Damm direkt auf der deutschen Seite der Grenze (versuch mal die Grenzpfahle zu entdecken!). Zweimal ist der viel befahrene Weg wegen Bauarbeiten mit rot-weißem Band gesperrt, ohne Umleitung (undenkbar in den Niederlanden...); wir müssen die Schranke ignorieren, es gibt keine Alternative entlang der Grenze und einen Umweg von 20 km wollen wir wirklich nicht machen, genau wie die anderen holländischen Radfahrer, die wir treffen. Die deutschen Holzfäller sind nicht glücklich mit all den "blöden Holländern".

Direkt am Grenzweg stoßen wir auf eine restaurierte Zollhütte, ein getarntes Gebäude, von dem aus die Zollbeamten versuchten, die zahlreichen Schmuggler in dieser Gegend zu fangen. Auf dem Bauernhof-Campingplatz in Overdinkel haben wir einen schönen Blick über die Heckenlandschaft und die Wiesen mit blond d'aquitaine Kühen des Campingchefs.

Von Overdinkel nach Winterswijk

Der Name Overdinkel hat unter Grenzfanatikern (es gibt sie wirklich) einen gewissen Ruf , denn es gibt einen berühmten, schwer zugänglichen Grenzpfahl aus dem Jahr 1659, der im 19. Jahrhundert den Dreiländerpunkt zwischen den Niederlanden, Hannover und Preußen (und heute zwischen den Niederlanden und den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen) markierte.
Wir ignorieren den Grenzpfahl machen einen kleinen Umweg über Gronau (D), auf der Suche nach einer Konditorei - immer gut für eine Pause, wenn wir in Deutschland unterwegs sind. Bäcker Voss enttäuscht sicher nicht mit exzellentem Cappuccino mit Käsekuchen (nur € 8,20 für zwei auf der Terrasse!).

An der Stelle, an der der kleine Berkelbach in die Niederlande eintritt, besuchen wir den Weiler Oldenkotte (NL)/Oldenkott (D). Es besteht aus nur einer Straße, auf der die Grenze quer verläuft. Auf der niederländischen Seite ist ein Café, auf der deutschen Seite ein Steakhaus. Natürlich sind die Schranken und Zollstellen längst verschwunden. Entlang der Berkel gibt es einen landschaftlich reizvollen Radweg, dem wir bis nach Rekken folgen. Wir sind jetzt in der Achterhoek, wo es entlang der Grenze etwas weniger malerisch ist als in Twente. Die Informationstafel am Zwillbrocker Venn hinter Groenlo verspricht futternde Flamingos, aber das gesamte Moor scheint seit dem Sommer 2018 trocken zu sein und die rosafarbenen Vögel - meist Nachkommen südamerikanischer Exoten, die aus Zoos entkommen sind - sind nirgends zu sehen.

Weiter geht es auf dem endlosen Dwarsweg/Ratumseweg, der rund um Winterswijk entlang der deutschen Grenze verläuft. Es ist ein sehr holpriger Weg und wir kommen nur langsam voran. Nach vier Radtagen wird der Bahnhof in Winterswijk der Endpunkt dieses Abschnitts unserer Grenzroute sein, doch zunächst werfen wir einen Blick in den 30 Meter tiefen Kalksteinbruch, der zwar nicht so spektakulär ist wie der des Sint-Pietersbergs bei Maastricht, aber dennoch eine auffällige Kuriosität in der flachen niederländischen Landschaft darstellt. Bis vor kurzem durften Amateurarchäologen hin und wieder Dinosaurierfossilien mit dem Hammer aus dem Kalksteingestein klopfen, doch die Steinbruchleitung entschied kürzlich, dass dies zu gefährlich sei, und nun ist das gesamte Gebiet von einem hohen Zaun umgeben.

Von Winterswijk nach Nijmegen

Während der sengenden Juli-Hitzewelle setzen wir unsere Grenzroute in Richtung Nijmegen fort. Die Landschaft nach Winterswijk ist nach wie vor agrarisch geprägt, wobei die hohen Maispflanzen oft die Sicht einschränken. In der glühenden Mittagssonne liegen die Kühe dicht beieinander in den wenigen schattigen Flecken am Rande der Wiesen und die Zuckerrüben breiten verzagt die schlaffen Blätter aus.

Wir folgen der deutsch-niederländischen Grenze so genau wie möglich in Richtung Dinxperlo, zunächst auf der niederländischen und später auf der deutschen Seite. Für Grenzfanatiker ist Dinxperlo ein ganz besonderer Ort, denn die Grenze verläuft mitten durch den Ort, der auf der deutschen Seite Suderwick heißt. Bis 1963 war es niederländisch - ebenso wie die Regionen Elten und Selfkant wurde es nach dem Zweiten Weltkrieg von den Niederlanden annektiert. Seit vielen Jahren leben Deutsche und Niederländer hier wieder zusammen und sie nutzen die gleichen öffentlichen Einrichtungen. Die Sprachgrenze ist auch hier eher diffus; im etwas weiter entfernten Anholt treffen wir eine Frau, die fließend Niederländisch und Deutsch spricht, ohne jeden Akzent. Anholt hat eine beeindruckende Wasserburg mit einem schönen Garten, die auf jeden Fall einen Besuch wert ist. Mit dieser Route nehmen wir eine ziemliche Abkürzung, denn wir folgen hier nicht der schmalen deutschen Ausstülpung in den Niederlanden.

Nach Anholt wird die Landschaft großflächiger und holländischer, mit weiten Wiesen und vielen Weiden entlang der Gräben. In der Ferne sehen wir die deutsche A3-Autobahn, die hier direkt an der niederländischen Grenze verläuft. Nun müssen wir uns entscheiden, ob wir auf der Nordseite der Grenze über 's Heerenberg, Babberich und Spijk radeln oder einen Abstecher nach Emmerich in Deutschland machen. Da wir nicht wissen, dass es eine reguläre Fähre über den Rhein von Pannerden nach Millingen gibt, wählen wir den Grenzübergang in Netterden und überqueren in Emmerich den Rhein über die Brücke, um dann dem Rheindeich nach Millingen zu folgen.

Die Temperatur ist auf rund 40 Grad Celsius gestiegen und wir sind gezwungen, im trostlosen, aber herrlich kühlen Bahnhof von Emmerich eine Rast- und Trinkpause einzulegen. Kaum haben wir uns erholt, müssen wir nach der Rheinbrücke aufgrund von Deicharbeiten einen Umweg über Kleef und Düffelward fahren. Auf dem ruhigen Friedhof bei der Kirche von Düffelward, auf dem auffallend viele niederländische Nachnamen auf den Gräbern zu finden sind, machen wir im Schatten wieder eine Pause. Später geniegenießen wir auf dem Rijndijk die schöne Aussicht auf den Fluss und die Grenzdörfer Spijk und Tolkamer am gegenüberliegenden Ufer. Nach Millingen ist es nur noch ein kurzes Stück entlang der eiszeitliche Beekse Moräne nach Nijmegen, dem Ende dieser sehr heißen Etappe mit absoluten Rekordtemperaturen.

Alternative Route: Ein Jahr später radelten wir die Strecke von Netterden nach Pannerden entlang der niederländischen Seite der Grenze. Netterden ist ein nettes Dorf, das von der Sint-Walburgiskerk dominiert wird, mit einer schönen Einrichtung, die einen Besuch wert ist. Die nächste Station ist 's Heerenberg, eine Kleinstadt, die aufgrund der Grenzlage nahe der Autobahn A3/A12, die Rotterdam mit dem deutschen Ruhrgebiet verbindet, von riesigen Lager- und Distributionszentren geprägt ist. Eine auffallend große Anzahl von Rollern und Rollstühlen kreuzt unseren Weg; es stellt sich heraus, dass hier eine Reihe großer Gesundheitszentren und Pflegeheime angesiedelt sind. Das historische Zentrum mit dem imposanten Schloss Huis Bergh ist eine echte Überraschung, und nach einem kurzen Besuch genießen wir unsere Fahrt entlang der Grenzen des schönen, hügeligen Montferlandes.

Bei Babberich biegen wir scharf nach Osten ab; das deutsche Dorf Elten, das zwischen 1949 und 1963 als Entschädigung für die deutsche Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg niederländisch war, ist auf drei Seiten von den Niederlanden umgeben. Das Dorfzentrum von Elten, in dem man auf der Straße ebenso viel Niederländisch wie Deutsch hört, besteht hauptsächlich aus Restaurants für deutsche und niederländische Radfahrer. Ein Aufstieg auf die 82 Meter hohe Anhöhe nach Hoch Elten ist wegen des Panoramablicks in Richtung Emmerich und Rhein Pflicht. Nach einem steilen Abstieg durch den Wald fahren wir nach Spijk über den Kleefsepostweg. Die deutsch-niederländische Grenze verlaüft hier hier mitten auf der Straße. Diese Gegend hat eine reiche Schmuggelgeschichte aufgrund des bemerkenswerten Verlaufs der Grenze in diesem Gebiet. Weiter geht es über den Rijndijk nach Tolkamer, mit einem guten Blick auf den regen Schiffsverkehr auf der anderen Seite des Flusses. Wer mit der Fähre von Pannerden nach Milingen möchte, muß im voraus die Abfahrtszeiten erfragen, da diese stark variieren. (Ende der alternativen Route)

Von Nijmegen nach Roermond

Nach dem Abstecher nach Nijmegen geht es weiter über Ubbergen und Beek. Danach radeln wir direkt an der Grenze entlang, mit dem deutschen Reichswald auf der einen Seite und hügeligen Wiesen und Feldern auf der niederländischen Seite. Genau wie in der Achterhoek ist die Landschaft hier ziemlich pferdig; entlang der Straße sehen wir eine endlose Reihe von Pferdeställen und Schuppen, umgeben von eingezäunten Weiden voller Stuten, Fohlen und Hengste. Die Grenze ist hier eher diffus; rund 30 Prozent der Bevölkerung des deutschen Ortes Kranenburg und der umliegenden Dörfer besteht aus niederländischen Auswanderern. Der Unterricht in den Grundschulen ist hier zweisprachig.

Wir fahren den mehr als 60 m hohen Sint-Jansberg hinunter, passieren die Provinzgrenze zwischen Gelderland und Limburg und biegen in Milsbeek, einem bekannten Rastplatz für Fernwanderer und andere Sportliche, am Gasthaus De Diepen links ab. Entlang der steilen Moräne (auch Staatsgrenze) geht es durch ein zunehmend sandiges Gebiet mit nur wenigen Weilern in Richtung der Ausbuchtung mit dem Dorf Siebengewald, das trotz des deutschen Namens zu den Niederlanden gehört. Einst war es deutsch, aber 1817 wurde es nach mehreren Grenzwechseln an die Niederlande angegliedert.

Es wimmelt hier von Deutschen aus der nahe gelegenen Stadt Goch, die zum Einkaufen in den H&P-Supermarkt kommen. Es ist ein sehr eigenartiger Supermarkt, der nur Artikel zu verkaufen scheint, die in Deutschland teurer sind als in den Niederlanden, wie die endlosen Regale mit Kilopackungen Kaffee und gestapelten Tabletts mit Dosen von Erfrischungsgetränken zeigen (in Deutschland gibt es Pfand auf jede Dose oder Flasche von Erfrischungsgetränken).

Weiter geht es in Richtung der Maasduinen, ein Nationalpark am Ostufer der Maas mit Sandrücken und Dünen, die in der letzten Eiszeit entstanden sind. Im Frühjahr und Herbst kan man hier die scheuen Kraniche in der Nähe der vielen Tümpel aus der Ferne beobachten. Der Nationalpark ist nicht mehr als ein paar Kilometer breit, aber bis nach Arcen mit seiner Kette von Ferienparadiesen haben wir den Eindruck, durch ein riesiges Naturreservat ohne jegliche Besiedlung zu radeln. In Arcen an der Maas kann man die berühmten Schlossgärten von Schloss Arcen besuchen, die für Pflanzen- und Gartenliebhaber unbedingt zu empfehlen sind. In diesem touristischen Viertel gibt es auch keinen Mangel an Bars und Restaurants.

In der Gegend zwischen Arcen und Venlo gibt es viele Gärtnereien, in denen Tomaten und Gurken in ausgedehnten Gewächshäusern angebaut werden. Ein überraschend steiler Anstieg bringt uns auf den Herungerberg; ein älterer Mann auf einem E-Bike überholt uns mühelos und entschuldigt sich: "Das ist nicht lustig, oder?" Mit unseren Fahrrädern ohne Hilfsmotor sind wir in dieser Region (und auch anderswo) eine Ausnahme - fast alle fahren mit E-Bikes, auch viele Deutsche. An diesem schönen Septembersonntag sind sie alle auf dem Weg zu einem der vielen Straßencafés im Grenzgebiet. Sie sind eindeutig weniger geübte Radfahrer als die Niederländer.

Einer dieser touristischen Hotspots - das Restaurant Oelespot - befindet sich in der Abtei Ulingsheide in Tegelen, einem Gebäude aus dem 20. Jahrhundert, das die letzten Mönche 2007 verlassen haben. Seit der Römerzeit ist Tegelen ein Ort, an dem Ton aus Steinbrüchen in der Nähe der Maas für die Herstellung von Ziegeln und Töpferwaren verwendet wird; der Name Tegelen kommt vom lateinischen tegula - Dachziegel. Kurz nach der Abtei geht es plötzlich hinab in eine solche ehemalige Tongrube, die mit ihrer weißen Lehmsteilwand und dem blaugrünen Wasser ziemlich exotisch aussieht.

Über 12 Kilometer folgen wir dem Grenzverlauf sehr genau, zum Teil über einen kurvenreichen Waldweg an der Spitze einer etwa 25 Meter hohen Steilkante, die den deutschen Brachterwald begrenzt. Entlang des Weges wurde ein Zaun mit Elektrozaun aufgestellt, um die deutschen Wildschweine in ihrem eigenen Land zu halten. Laut einer Informationstafel verursachen die Tiere den Limburger Landwirten viele Unannehmlichkeiten und schädigen sie die Ernten. Die Behörden der Provinz sind den Bauern zu Hilfe gekommen. Am Grenzpfahl 425 passieren wir das Grietjens Gericht, ein Galgenfeld auf prähistorischen Grabhügeln, wo 1651 die Magd Grietje unter dem Vorwurf, ihr neugeborenes Kind getötet zu haben, enthauptet wurde. Danach ist es nicht weit nach Roermond, einem gemütlichen Städtchen, das leider von zu viel Autoverkehr geplagt wird, vor allem an den gut besuchten Terrassen entlang der Roer.

Von Roermond nach Vaals

Nach einer Winterpause nehmen wir die Grenzroute im April 2020 wieder auf, wobei die COVID-19-Beschränkungen uns zu Tagesausflügen zwingen. Das bedeutet, dass wir jedes Mal zu unserem Ausgangsort zurückfahren müssen (die gpx-Dateien zeigen dies). Von Roermond aus radeln wir an einem der ersten Frühlingstage durch den überraschend wilden und menschenleeren Nationalpark am Meinweg, der von einer steil ansteigenden Flussterrasse von etwa 80 m Höhe begrenzt wird. Die deutsch-niederländische Grenze folgt dem Rand dieser Terrasse und zeigt eine merkwürdige rechteckige Ausbuchtung nach Osten, eine Folge früherer Abholzungskonzessionen. Am Ende dieser Ausbuchtung, dem Wolfsplateau, befindet sich das holländische Café Jägerhof und das ehemalige Café Zum Deutschen Eck, einst ein Schmugglerparadies mit holländischem Vordereingang und deutschem Hinterausgang. Zwischen 1954 und 1962 wurden auf dem Wolfsplateau zwei Schächte bis zu einer Tiefe von 700 m für das Staatsbergwerk Beatrix errichtet, das jedoch nie in Betrieb genommen wurde. Auf deutscher Seite wird jedoch seit Jahrzehnten Kohle abgebaut.

Beim Weiler Vlodrop Station passieren wir die verrosteten Schienen des Eisernen Rheins, der ehemaligen Bahnverbindung zwischen Antwerpen und dem Ruhrgebiet, die seit den 1980er Jahren zwischen Roermond und dem deutschen Dalheim (2 km über die Grenze) unterbrochen ist. Ab 1990 befand sich hier in den dichten Wäldern das Hauptquartier der transzendentalen Meditationsbewegung des indischen Gurus Maharishi Mahesh Yogi, zu deren Kunden auch die Beatles und die Beach Boys gehörten. Nachdem wir den Fluss Roer bei Vlodrop passiert haben, wird der Weg wieder flach und wir radeln durch ein Gartenbaugebiet mit viel Spargelanbau. Die Bandbebauung entlang der N274 in der Nähe von Koningsbosch erinnert mit ihren eher schäbig aussehenden Häusern an Belgien - wir erleben hier ein echtes Gefühl der Trostlosigkeit.

Ein paar Jahrzehnte lang war die N274 zwischen Koningsbosch und Brunssum ein Kuriosum, denn diese Straße verlief wie ein niederländischer Korridor durch die deutsche Region Selfkant. Um Schmuggel zu verhindern, gab es keine Ausfahrten und Autos durften auf der deutschen Strecke nicht anhalten. Diese Situation war entstanden, nachdem Selfkant, der nach dem Zweiten Weltkrieg von den Niederlanden annektiert worden war, 1963 an Deutschland zurückgegeben worden war. Seit 2002 ist die Straße wieder völlig deutsch, ebenso wie die Beschilderung. Selfkant hat noch eine weitere Besonderheit: Hier, am Roten Bach, befindet sich der westlichste Punkt Deutschlands (Grenzposten 310), d.h. der westlichste Punkt der niederländischen Ostgrenze. Entlang der IJsstraat bei Susteren haben die Deutschen eine Gedenktafel an einem Grenzstein angebracht, und Informationstafeln erinnern an die Übergabe von Selfkant an Deutschland am 1. August 1963, als hier Lastwagen voller Butter und Kaffee abgestellt wurden -- eine geschickte Art, Einfuhrzölle zu vermeiden. In der Nähe befindet sich auch das schmalste Teil der Niederlande. Die Entfernung zwischen der deutschen und belgischen Grenze beträgt dort nur 4,8 km Luftlinie. Kurzum, diese Gegend ist ein Eldorado für Grenzfanatiker und Liebhaber sinnloser Fakten.

Um den bebauten Ballungsraum Sittard zu umgehen, überqueren wir bei Nieuwstad die Grenze, fahren durch hübsche Dörfer wie Tüddern und Wehr im ehemals holländischen Selfkant und erklimmen den 101 Meter hohen Schlounerberg, von dem wir bei diesem superklaren Wetter eine fabelhafte Aussicht haben. Nur ein kreisendes AWACS oben am Himmel stört die Ruhe.

Zurück auf niederländischem Gebiet geht es gemütlich weiter in Richtung Jabeek und Brunssum, das wir über das Naturschutzgebiet Rode Beek-Heringsbosch erreichen.
Das unbedeutende Bauerndorf Brunssum erlebte nach dem Ersten Weltkrieg dank des Bergbaus ein starkes Wachstum; bis 1973 wurde hier in den staatlichen Zechen Emma und Hendrik Kohle gefördert. In der Blütezeit arbeiteten hier etwa zehntausend Menschen. Insgesamt 178 Bergleute verloren in den Gruben ihr Leben; ein Denkmal in der Akerstraat in Brunssum zeugt davon. Nach der Schließung der Mine wurde auf dem Gelände der Hendrik-Mine ein NATO-Hauptquartier (AFCENT) eingerichtet. Auf dem Waubacherweg fahren wir an der riesigen Abraumhalde der Bergwerke entlang; seit einigen Jahren wird das gesamte Areal, einschließlich einiger tiefer Kies- und Sandabgrabungen direkt an der deutschen Grenze, völlig neu gestaltet.

Die gesamte Region von Brunssum und Heerlen bis Kerkrade, euphemistisch Park City genannt, ist dicht besiedelt und von viel befahrenen Straßen durchzogen, aber entlang der Grenze gibt es noch einen schmalen Streifen, der die Illusion von Leere und freier Natur vermittelt. Rimburg ist ein hübsches (manchmal von deutschen Drogentouristen geplagtes) Dorf im Wurmtal, das einst an der wichtigen römischen Hauptstraße nach Köln lag. Im Dorf kann man sich noch den Fuß eines römischen Meilensteins ansehen (Broekhuizenstraat 53). Wir überqueren die Worm, die in diesem Gebiet für eine Weile die Grenze bildet, und radeln durch das schöne Wurmtal nach Kerkrade; die Steinbrüche hier lieferten Nivelsteiner Sandstein, der Baumaterial für die Domkirchen von Aachen und Utrecht war.

Der Radweg durch das ruhige und grüne Wormdal führt bis nach Aachen, aber wir biegen scharf nach links in Richtung Kerkrade ab. Inzwischen haben wir die südliche Hügellandschaft Limburgs erreicht und ein steiler Anstieg bringt uns zur beeindruckenden Abtei von Rolduc, der größten Klosteranlage der Benelux-Länder. Es beherbergt jetzt ein an das Konferenzzentrum angegliedertes Hotel, das leider die Korona-Krise nicht überlebt hat - es wäre ein schöner Ort für eine Übernachtung.

Die 2 km lange Neustraße/Nieuwstraat/ in Herzogenrath/Kerkrade ist auf der einen Seite niederländisch, auf der anderen Seite deutsch (Herzogenrath); der Zaun, der einst mitten durch die Straße verlief, um Schmuggel zu verhindern, ist längst verschwunden. Dennoch gibt es subtile Unterschiede zwischen den beiden Seiten: Die Anzahl der geparkten BMWs und Mercedes ist auf der deutschen Seite der Straße deutlich höher. Der Lidl, der Aldi und der Mediamarkt sind direkt an der Grenze, aber alle auf der deutschen Seite, weil es dort billiger ist. Auf der niederländischen Seite werben Geschäfte mit "billige Bohnenkaffee".

Bis Bocholtz müssen wir uns durch Gewerbegebiete und über Autobahnen schlängeln, was nicht einfach ist. Doch schließlich erreichen wir einen der schönsten Abschnitte der gesamten Grenzroute: ein hügeliges Tal mit burgundischem Charme (der Orsbacher Wald) bis zum Weiler Mamelis, ein steiler Anstieg bis zum deutschen Dorf Orsbach, das auf drei Seiten von den Niederlanden umschlossen ist, und dann eine rasante Abfahrt nach Vaals, mit schönen Ausblicken über das Hügelland.

Den krönenden Abschluss unserer Radtour entlang der deutschen Grenze bildet die Besteigung des Vaalserbergs (323 m) mit dem Dreiländerpunkt, der bis 1920 zur Zeit des Neutral-Moresnetsogar ein Vierländerpunkt war. Aufgrund der Pandemie sind die Großparkplätze komplett leer und die Gastronomie ist geschlossen. Ein Zaun mit zahlreichen Warnungen versperrt die Durchfahrt nach Belgien, und ein Stück weiter patrouilliert die deutsche Polizei, als gäbe es Schengen nicht mehr und die sechziger Jahre wären wieder da, als man ein Bußgeld von plötzlich auftauchenden holländischen Zöllnern riskierte, weil man im Kiosk zu viele Packungen billiger belgischer Zigaretten gekauft hatte.
Die wenigen Ausflügler auf dem Vaalserberg können sich über die Zäune nur wundern. In den kommenden Wochen werden wir auf unserer Fahrt entlang der niederländisch-belgischen Grenze in Richtung Cadzand(siehe Teil 2 der Grenzroute) noch vielen solcher Blockaden begegnen.

Geradelte Route

Etappe Km * Steigung
in m**
Delfzijl - Bourtange(camping 't Plathuis) 66
Bourtange - Gramsbergen(camping De Vechtkamp) 87
Gramsbergen - Overdinkel(Campingplatz Erve Beernink) 91 50
Overdinkel - Winterswijk 83
Winterswijk - Nijmegen 90
Nijmegen - Vierlingsbeek 60
Vierlingsbeek - Roermond 81
Roermond - Koningsbosch 47 400
Koningsbosch - Brunssum 33 280
Brunssum - Mamelis 37 470
Mamelis - Vaals, Dreiländerpunkt 10 300
Gesamt 685 km

* Beinhaltet Umwege für Einkäufe, Wege zum Bahnhof, Camping usw.

** Basierend auf korrigierten GPS-Daten (diese sind erfahrungsgemäß ca. 25% höher als die eines barometrischen Höhenmessers)